Otto Hainzl
corviale
12.11. – 21.12.2016
Der österreichische Fotograf Otto Hainzl geht den Fragen nach Menschsein und Gesellschaft nach. Im Zyklus „corviale“, der in der Soiz Galerie zu sehen ist, erkundet er den gleichnamigen Betonriegel am Stadtrand von Rom: ein Wohnblock, von 1975 bis 1982 entstanden, knapp einen Kilometer lang, zehn Stockwerke hoch, 8000 Bewohner. Hainzl war einige Zeit einer von ihnen.
Wenn sich Corviale in seinen Fotografien hinter Wiesen und Bäumen am Horizont erhebt, offenbart sich noch die Vision der Planer, ein Vorzeigeprojekt zu schaffen. Je näher Hainzl dem Gebäude kommt, desto mächtiger zeigt es sein Eigenleben – gegen und mit der Macht des Betons.
Schon die Fassaden mit Blumentöpfen, Wäscheleinen und Markisen lassen rätseln, was sich dahinter verbergen könnte. Der 4. Stock des Corviale, einst als Flaniermeile mit Läden und Gemeinschaftsräumen geplant, ist heute illegal und mietfrei bewohnt. Mit selbst organisiertem Baumaterial eigneten sich Familien die Räume an.
Doch auch die anderen Etagen offenbaren eine bunte Welt: Hainzl zeigt grüne Terrassen zwischen steilen Wänden, längst nutzlose Elektrik und Beschilderung oder Flure und Treppen, die plötzlich an einer Wand enden, weil dahinter nun jemand wohnt. Menschen sind in Corviale allgegenwärtig, zu sehen sind sie in den Bildern nie.
Mit dieser Arbeit macht Otto Hainzl Konstrukte sichtbar, die wir für uns geschaffen haben, in denen wir uns also widerspiegeln. Am Reißbrett erdacht ist das Gebäude durch seine Bewohner zum Labyrinth mutiert, das sich ständig wandelt und den Besucher immer neue Wege suchen lässt. Auch die Betrachter seiner Fotografien führt Hainzl in ein Labyrinth. Sie sehen Spuren, deuten Zeichen, laufen in die Irre, finden neue Wege. Und sie werden letztlich auf das eigene Leben zurückgeworfen: seine Geschichtlichkeit, seine scheiternden Visionen, das gesellschaftlichen Miteinander und die individuellen Bedürfnisse.
Zur Serie „corviale“ ist 2015 eine gleichnamige Publikation im Kehrer Verlag, Heidelberg, erschienen (ISBN 978-3-86828-596-3).
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